Zur Geschichte der Villa Vita
Die Villa wurde 1872 im Auftrag des Fabrikdirektors Adolf Behnisch erbaut. Adolph Behnisch leitete bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts den Görlitzer Maschinenbau Aktiengesellschaft (heute SIEMENS - Maschinenbau) in Görlitz.
Die Villa wurde dem damaligen Anspruch einer Fabrikantenvilla gerecht und lag in der bevorzugten Lage des Landhausviertels, das rund um den Görlitzer Stadtpark entstand und später als Anspielung auf seine Bewohner den Beinamen "Geheimratsviertel" im Volksmund erhielt.
Mit einer Nutzfläche von 480 Quadratmetern gehört die Villa eher zu den kleineren Villen in Görlitz. Dennoch gefällt sie gerade durch ihren südländisch anmutenden Baustil und vielen neoklassizistischen Details am Baukörper. Adolf Behnisch baute mit Augenmaß und Stilsicherheit und ließ hochwertige Materialien verbauen, die auch heute noch Bestand haben.
Die Strukturierung der Wohnfläche entsprach dem damalig verbreiteten klassischen Nutzungskonzept einer Fabrikanten - Villa:
Im Souterrain (ca. 100 Quadratmeter Nutzfläche) befand sich eine Wohnung für Bedienstete (Köchin und Hausmeister), die Küche für die gesamte Villa, Lagerräume, ein Weinkeller und nicht zuletzt für die damalige Zeit bemerkenswert, schon eine Zentralheizung auf Kohlebasis. Über Luftkanäle in den starken Mauern des Gebäudes wurde die Warmluft in die oberen Etagen gebracht und dann über das Dach abgeleitet.
Im Erdgeschoss (220 Quadratmeter Nutzfläche) findet man die Beletage der Villa mit den repräsentativen Räumen. Um 1900 wurde hier ein repräsentativer Wintergarten auf der Ostseite der Villa dem Zeitgeist entsprechend angebaut.
Einer damaligen Gewohnheit in Görlitz, die darin bestand, auch Privathäuser auf öffentlichen Postkarten abzubilden, haben wir es zu verdanken, dass dieser Wintergarten im frisch erbauten Zustand auf einer Postkarte noch zu sehen ist.
Zu den repräsentativen Räumen im Erdgeschoss, die auf Anfrage auch besichtigt werden können, gehört der Salon, das Speise- und Arbeitszimmer sowie ein wunderschönes Entree.
Anbei sehen Sie ein Foto des damaligen Besitzers Adolph Behnisch in seinem Arbeitszimmer (Quelle: Dr. A. Bednarek "Streifzüge durch Görlitz", Allan Sutton Verlag Erfurt 1998, Seite 92)
Im Obergeschoss (ca. 160 Quadratmeter Nutzfläche) befanden sich die Schlaf- und Ankleideräume, sowie die Kinderzimmer. Im darüber liegenden Dachboden waren außerdem Dienstmädchenzimmer eingerichtet.
Auf dem Hof befanden sich ein Pferdestall und eine Remise, in der wohl die Kutsche standesgemäß eingeparkt wurde.
Die Villa wechselte in den nachfolgenden Jahrzehnten bis zum Kriegsende 1945 lediglich zweimal den Besitzer (um 1900 und 1917). Nach dem zweitem Besitzerwechsel um 1917 wurde die Belletage in 2 Wohnungen getrennt. Das Görlitzer Adressbuch von 1936/37 weist z.B. folgende Bewohner der Villa aus:
Erdgeschoss/ Parterre:
- Hesse, Gottfried : Kaufmann
- Sellengk, Alfons : Arzt
Obergeschoss:
- Prof. Dr. Rörig, Georg :: Geheimer Regierungsrat
- Süße, Frieda :: Zimmervermieterin
Nach Kriegsende 1945 wurde die Villa kurze Zeit für Vermietungszwecke genutzt. Dann diente sie einige Jahre sowjetischen Offiziersfamilien als Unterkunft. Der Bereich Mühlweg - Schützenstrasse war einige Jahre Sperrbezirk. Die Gebäude wurden im Auftrag der sowjetischen Kommandantur genutzt. Vielleicht ist gerade diese Nutzung die Ursache dafür, dass in der Villa Vita auch heute noch viele liebevolle Details in den Innenbereichen ( z.B. originales Treppengeländer, Fenster, Originaltüren, Stuck, Fenstermotive, Türkronen, Intarsienparkett usw.) erhalten geblieben. Diese "Mieter" waren z.B. nicht gezwungen, diese und jene Dinge aus der Mangelsituation heraus zu verheizen.
Seit Anfang der fünfziger Jahre bis 1990 befand sich die Villa im Volkseigentum und wurde als Mehrfamilienhaus genutzt. Kurz nach der Wende wurde es an die Erben des letzten Privateigentümers restituiert, von denen es die heutigen Eigentümer 1997 käuflich erwarben.
Während der DDR - Zeit wurden an der Villa kaum Veränderungen vorgenommen. Eine größere "Rekonstruktion" Anfang der neunziger Jahre war durch die damalige Kommunale Wohnungsverwaltung ( "KWV" ) bereits im Gespräch. Mitte der 90er Jahre war die Villa stark verfallen und stand vor einem dramatischen Verfall der Bausubstanz.
Es kam durch die Wende zum Glück nicht zu einer Sanierung, die sicherlich wenig behutsam mit der geschichtsträchtigen Bausubstanz umgegangen wäre. Gründerzeitgebäude galten damals gerade in Görlitz nicht viel, gerade weil sie in fast unübersehbarer Anzahl hier noch vorhanden sind. Es spricht für die werthaltige Bausubstanz, der Villa, dass diese nach ca. 60 Jahren Vernachlässigung zwar abgewirtschaftet war, aber durch die heutigen Eigentümer von 1998 - 2000 denkmalsgerecht und dadurch bezahlbar saniert werden konnte.
Bemerkenswert ist, dass dieses Bauwerk in unmittelbarer Nähe zu Stadtzentrum sowie nahe liegendem Stadtpark gelegen, auch in seiner Wohnfunktion erhalten werden konnte. Andernorts wäre das kaum vorstellbar. Das trifft auch auf die Tatsache zu, dass die heutigen Eigentümer die Villa als offenens Haus führen und gern Besuchern zeigen.
Seit 1999 können Touristen aus dem In- und Ausland die neu entstandene "Villa Vita" als Feriendomizil erleben und mit den Besitzern auch ins Gespräch kommen.